BUND Regionalverband Stuttgart

Speierling

Sorbus domestica

Familie: Rosengewächse, Rosaceae
Gattung: Sorbus
Vorkommen: Europa ohne Britische Inseln u. Skandinavien; Türkei, Kaukasus, Marokko, Algerien
Wuchshöhe: meist um 20, teilweise bis 30 m


Ein unscheinbarer, aber sehr reizvoller Baum ist der im ganzen Stromberg vereinzelt vorkommende Speierling, auch Sperberbaum genannt.
Das äußere Aussehen entspricht dem einer Vogelbeere, zu deren Gattung er auch gehört. Er unterscheidet sich wesentlich von der Vogelbeere nur durch die Früchte und durch die gröbere, rissige Rinde, die mehr der eines Birnbaumes ähnelt und durch die, im Gegensatz zur Vogelbeere, kahlen Winterknospen.
Die gelb- und rotbackigen Früchte, die nur Scheinfrüchte sind, da der Fruchtknoten lediglich das Kernhaus bildet, treten bei dem einen Baum birnenförmig (var. Pyrifera) und bei dem andern Baum apfelförmig (var. Pomifera) auf. Die reinen Apfelformen findet man jedoch selten.
Bereits Karl der Große hat im Jahr 812 den Speierling als besonders wertvoll bezeichnet und seinen Anbau empfohlen.

Die Früchte sind sowohl roh als auch gekocht genießbar. Sie haben einen herben, doch würzigen Geschmack. Wegen des reichen Gerbsäuregehalts wurden sie vielfach zur Erhöhung der Haltbarkeit dem Apfelmost zugesetzt. Nach Dr. h.c. Otto Linck wurden die Sperbel bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts auf dem Stuttgarter Obstmarkt angeboten. Vielfach wurden die Früchte auch zu Marmelade, zu Essig und Schnaps, in Frankreich ‚Sorbette' genannt, verarbeitet.

Der Speierlingsbaum kann mehrere hundert Jahre alt werden und bildet, wenn er von anderen Laubbäumen hochgetrieben wird, durchaus schöne Stämme. Dabei erreicht er Höhen bis zu 25 m. Der stärkste, mir bekannte Speierling mit einem Brusthöhendurchmesser von über 60 cm steht im Gemeindewald von Ensingen im Südosten der Abteilung 19 Heidenschlag des Distrikts Großer Fleckenwald.

Das Holz selbst ist birnbaumähnlich, feinfasrig, rotbraun, mit einem zuweilen leicht bläulichen Schimmer. Wegen seiner besonderen Härte wurde es früher viel zu Wein-pressenspindeln, Zahnrädern, Schrauben und Achsen verwendet. Nach der Hainbuche ist es mit einem Gewicht in lufttrockenem Zustand von 0,79 Gramm/ccm (Hegi) unser schwerstes Holz.

Der Speierling ist in Südeuropa und Kleinasien beheimatet. Man nimmt an, dass er durch die Römer bei uns eingebürgert wurde. Außer im Weinbaugebiet des Unterlandes ist er heute in der Pfalz, Frankreich und Oberhessen anzutreffen, allerdings stets nur in Einzelexemplaren. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass die Wurzeln von zwei Individuen sich nicht berühren sollten, da man der Meinung ist, dass sie sich dann gegenseitig abtöten. Seit mir dies bekannt war, habe ich Speierlinge in der Pflanzschule nur in ganz großen Abständen verschult. Auffallend an diesem Baum ist weiter, dass man kaum einmal eine jüngere Pflanze in den Wäldern findet.

Der wohl im Nebenberuf sich der Obstbaumpflege widmende Sieber aus Nordheim, Kreis Heilbronn, veröffentlichte im Jahre 1863 einen Aufsatz über den Speierling, dem ich folgendes entnehme:

"Wir haben von alten Zeiten her ein Waldobst, welches der verwöhnteste Gaumen als eine Leckerei hinnimmt:
Ich meine die Frucht des Speierlingsbaumes, der hin und wieder in unseren Wäldern vorkommt. Ich erreichte mein ehrliches Schwabenalter - und lernte dieselbe erst auf dem Heilbronner Wochenmarkt kennen, wo sie, wie auch auf den Hohenloher Märkten, hin und wieder zum Verkauf kommt.
‚Was gibt's denn da?', fragte ich die sich drängenden Schulknaben. ‚Sperbel, 15 um einen Kreuzer', war die Antwort. Ich schämte mich als Pomologe weiter zu fragen und kaufte von der teigen Frucht.
Es waren gar zierliche Birnchen, einen Zoll lang, ein Halbzoll breit, gelb mit schönen braun bis dunkelroten Bäckchen und vielen feinen Forellenpunkten, was man gewöhnlich für ein gutes Zeichen beim Obst nimmt.
Ich kostete das Ding: es schmeckte lieblich, fast weinig. Zuhause angekommen erzählte ich meinem Nachbarn von der seltenen Frucht und erfuhr, dass in der hiesigen Gegend ein derartiger Baum stehe. . . Der Eigentümer hatte aus den Früchten auch schon Branntwein gebrannt mit lieblichem, anisartigem Geschmack.
Vom Baum genommen sind die Früchte ungenießbar, werden aber nach etlichen Tagen teig und können dann von jedermann ohne Schaden gegessen werden. In teigem Zustand können sie sehr lange aufbewahrt werden, auch geben sie gedörrt kräftige Hutzeln".

Dr. Hans Halla

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